Die Schweiz – Geschichte des berühmtesten Finanzplatzes der Welt.
Die Schweiz gilt als einer der wichtigsten und angesehensten Finanzplätze der Welt. Nahezu ein Viertel des weltweiten Auslandsvermögens wird in der Schweiz verwaltet. Dies bedeutet, dass eine Vielzahl unabhängiger Banken, Versicherungen und Vermögensverwalter im Land ansässig ist.
Die ersten Finanztätigkeiten bestanden in der Gewährung von Darlehen zur Förderung der wirtschaftlichen Geschäftstätigkeit von Unternehmen oder zur Finanzierung großer Bauwerke wie beispielsweise von Eisenbahnschienen und wichtigen Verkehrswegen. Dank ihrer strategischen geografischen Lage im Zentrum Europas erlangte die Schweiz im Mittelalter eine gewisse Bedeutung als Handelsplatz. Dies ermöglichte es ihr, die wichtigsten Alpenpässe zu kontrollieren, welche die einzigen Verkehrsstraßen für den Transport von Waren aus dem Süden, insbesondere aus Italien und den umliegenden Mittelmeerregionen, in den Norden waren. Der Messeboom in Genf – einem wichtigen europäischen Handelsplatz im 15. Jahrhundert – zog zahlreiche ausländische Finanziers und Investoren an, und dies bildete das Fundament der Schweizer Finanzbranche.
Im 16. und 17. Jahrhundert veranlasste die konfessionelle Spaltung in Europa viele Protestanten zur Flucht in die reformierten Kantone der Schweiz. Diese Entwicklung trug nicht nur zur Entstehung der Uhrenbranche in der Westschweiz bei, sondern auch zum Wachstum der ausländischen Bevölkerung, die die Schweiz als Zufluchtsort betrachtete, an dem sie ihre religiösen Überzeugungen ausleben konnte, und somit auch von Wohlstand und Reichtum. Daraus entstand die Notwendigkeit, wichtige finanzielle Vermögenswerte zu verwalten, die sich stetig vermehrten.
Mit dem Wachstum der Unternehmen in Genf und Basel Anfang des 19. Jahrhunderts, gefolgt von den Textilunternehmen in St. Gallen, stieg auch der Bedarf an Finanzexperten kontinuierlich an, die sich um Kredite, Handelsgeschäfte sowie die ersten derivativen Finanzinstrumente kümmerten, um die Risiken abzumildern. Die vom Wiener Kongress im Jahr 1815 anerkannte Neutralität der Schweiz und die Gründung des modernen Bundesstaates nach dem Bürgerkrieg im Jahr 1847 legten den Grundstein für eine starke Vermögensverwaltungsbranche.
Das 20. Jahrhundert – der Wandel
Insbesondere während der wirtschaftlichen und politischen Unruhen des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Schweiz zu einem bedeutenden internationalen Finanzplatz. Zwei Weltkriege, der Kalte Krieg, mehrere Wirtschaftskrisen sowie die Instabilität vieler Währungen führten dazu, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft eine Magnetwirkung auf die Hauptstädte der ganzen Welt ausübte. vor allem aufgrund ihrer neutralen Position, die während der beiden Weltkriege bestätigt wurde, galt die Schweiz als sicherer Ort, daher brachten wohlhabende Bürger gewaltige Vermögen, Gold, Kunstwerke und andere Kostbarkeiten in das Land, um ihr Vermögen zu schützen und zu erhalten.
Die Schweizer Bankiers und Treuhänder hatten praktisch keine andere Wahl, als ihre Fähigkeiten und Erfahrungen zügig auszubauen, da sie in der Lage sein mussten, beträchtliche, nicht nur finanzielle und oftmals diversifizierte sowie schwer abzusichernde Vermögenswerte zu verwalten und zu schützen.
Das Bankgeheimnis
Einer der entscheidenden Faktoren für den Erfolg der Schweiz und der international umstrittenste Mythos war zweifellos das Bankgeheimnis. Dieses wurde im Jahr 1934 mit dem „Bankengesetz“, das die Preisgabe von Informationen über Kontoinhaber unter Strafe stellte und strafbar machte, gesetzlich verankert. Doch der „Kodex des Bankkundengeheimnisses“ existiert bereits seit über 300 Jahren. Es waren die französischen Könige mit ihren anspruchsvollen finanziellen Bedürfnissen, auch was Kredite anbelangt, die eine absolute Geheimhaltung in Bezug auf Bankkonten forderten. Das Schweizer Bankgeheimnis entstand in dieser historischen Zeit. Im Jahr 1713 verpflichtete der Grosse Rat von Genf die Bankiers dazu, ein Verzeichnis aller ihrer Kunden zu führen, jedoch untersagte er die Offenlegung der darin enthaltenen Informationen.
Seit dem ersten Jahrzehnt des neuen Jahrtausends ist die Schweiz zunehmend dem internationalen Druck ausgesetzt, das Bankgeheimnis abzuschaffen. Insbesondere haben sich die Vereinigten Staaten dafür eingesetzt, sodass im Jahr 2014 das FATCA-Abkommen (Foreign Account Tax Compliance Act) zustande kam. Im Rahmen dieses Abkommens fordern die Vereinigten Staaten die Offenlegung sämtlicher Daten über das weltweit von US-Steuerpflichtigen gehaltene Kapital. Schließlich hat das Schweizer Parlament im Mai 2016 dem neuen Zinsbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und der EU zugestimmt, das den automatischen Austausch von Steuerinformationen auf der Grundlage der von der OECD entwickelten internationalen Standards einführt.
Somit wurde das Schweizer Bankgeheimnis am 1. Januar 2017 offiziell abgeschafft – außer für die Schweizer Bürger. Im Jahr 2017 trat nämlich das neue Zinsbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union in Kraft. Der automatische elektronische Informationsaustausch begann jedoch erst am 1. Januar 2018. Somit wurde ein Schritt in Richtung einer internationalen Zusammenarbeit sowie zur Bekämpfung von Geldwäsche unternommen.
Nichtsdestotrotz hält die Schweiz nach einigen Jahren der Anpassung und internen Reorganisation des Sektors das Interesse der Kunden an der Verwaltung großer Vermögen nach wie vor aufrecht, denn diese schätzen die Stärken der Eidgenossenschaft, die Fachkompetenz der Schweizer Vermögensverwalter, den Schweizer Franken als starke Währung sowie die Solidität und Verlässlichkeit eines liberalen Landes, das den Schutz des Einzelnen und seiner Privatsphäre als grundlegendes und wesentliches Prinzip ansieht.